Bereits vor dem 1. Weltkrieg war der Kohlenbergbau in die Randzonen des Ruhrgebiets (Kreis Unna) vorgedrungen und hat eine starke Bevölkerungsentwicklung erzeugt.
In den ersten Nachkriegsjahren war der Steinkohlenbergbau in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und hat einen erneuten Bevölkerungsschub ausgelöst. Damit hatte es mit der Kohlenkrise zunächst ein Ende. Existenzangst machte sich breit, insbesondere in den Gemeinden, in denen der Bergbau der einzige Arbeitgeber war. Das galt insbesondere für 6 Gemeinden, z.B. Bergkamen im Kreis Unna.
Da stellte sich die Frage nach alternativen Beschäftigungsverhältnissen und bergbauunabhängigen Industrien. Da kam 1960 das Bundesbaugesetz (jetzt Baugesetzbuch) zur Rechtskraft. Es gab den Flächennutzungsplan, mit dem sich die Gemeinden über die Entwicklung ihres gesamten Gemeindegebiets Klarheit verschaffen sollten. Es gab aber auch den gemeinsamen FNP benachbarter Gemeinden mit gleicher Struktur.
Wir wurden mit dem gemeinsamen FNP für 6 Bergbaugemeinden im Kreis Unna: Bergkamen, Heil, Oberaden, Oberberge, Rünthe und Weddinghofen (6-Gemeindenplanung) beauftragt. Zunächst waren in diesem Rahmen die industriellen Standortbedingungen im 6-Gemeindengebiet zu erkunden. Das Ergebnis war günstig. Die Standortbedingungen waren wegen der guten Lage im BAB-Gerüst mit Auf- und Abfahrten und wegen Wasser- und Schienenwegen vorzüglich.
Gerade in diesen Jahren suchte die Berliner Schering AG. eine große Industriefläche in Westdeutschland für ihren Chemiebetrieb. Es kam zu einem Grunderwerb in der Gemeinde Bergkamen. Das war der Punkt, an dem der Stadtentwicklungsprozess einsetzte. Die 6 Gemeinden beschlossen, sich zu einer Großgemeinde zusammenzuschließen. Die Verleihung der Stadtrechte erfolgte prompt. Es waren nicht nur Industrieflächen festzulegen, es ging auch um zentrale Einrichtungen wie die Versorgung (für gehobenen periodischen Bedarf), kulturelle Verwaltung- und Bildungseinrichtungen, die in einem Stadtkern zusammenzufassen waren. Den Standort des Stadtkerns haben wir in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsplaner Prof. Mäcke, TH Aachen, festgelegt. Die stadtgestalterische Seite wurde durch einen Architektenwettbewerb berücksichtigt.
Die Planungsmaßnahmen haben sich insgesamt bewährt. Die Stadt ist in den vergangenen Jahren über 50.000 Einwohner gewachsen.
Inzwischen ist auch ein großräumiges Erholungsgebiet entstanden. Aus dem ursprünglichen Industriehafen ist die „Marina Rünthe“ geworden:
Ein weiteres Großprojekt der neuen Stadt ist die „Wasserstadt Aden“. Anstelle der früheren Schachtanlage „Haus Aden“ ist ein neues spezielles Stadtgebiet in Planung. Es soll aus vielen Einzelhäusern bestehen, alle an der Wasserstraße Lippe und Lippenseitenkanal gelegen und mit eigener Bootsanlegestelle ausgestattet.
Durch die beiden letztgenannten Projekte wird sich Bergkamens Charakter deutlich wandeln. Aus den bisherigen reinen Arbeitergemeinden entwickelt sich im Zuge eines Stadtentwicklungsprozesses ein lebensfreundlicher Stadtbereich. Man möchte ihm auch eine starke Anziehungskraft wünschen.
Ausblick:
Auch in der Zukunft wird der gemeinsame Flächennutzungsplan ein wichtiges Planungsinstrument sein. Wenn die Grenzen kleiner Gemeinden zu eng für eine großräumige städtebauliche Planung werden, kann die gemeinsame Flächennutzungsplanung verschiedener Gemeinden eine Lösung sein, ohne dass die grundgesetzlich garantierte Planungs- und Finanzhoheit kleiner Gemeinden berührt wird.
Bildrechte:
(1) Bevölkerungsentwicklung, Statistik Kreis Unna
(2) Das Ruhrgebiet, Baubestand und Verkehrswege, Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR)
(3) SVR-Entwicklungsschema
(4) UR-Messtischblatt 1839, Genehmigung LVA/NW. Nr. 2348 V. 20 XII 66. Ausschnitt
(5) Topografische Karte M 1:25.000 (Ausschnitt zu Vergleich mit (3))
(6) Das Ruhrgebiet Randzonen Gem. SVR. Weiterentwicklung v. Dr. Pernice
(7+8) Leitbild f. FNP und Str.-Gerüst (Prof. Mäcke)
(9) Marinea Rünthe, Foto: Stadt Bergkamen
[Beitrag von Dr. Dietrich Pernice, LG NRW]