a) Der Garten als Metapher und als Begriff
Von dem, was ein Garten ist, gibt es ein kulturelles Bewusstsein. Der Garten steckt voller positiver Assoziationen wie Schutz, Geborgenheit, Naturnähe und übrigens auch ausreichend Wasser. In einer als ungastlich und devastiert wahrgenommenen Welt erscheint der Garten als Refugium. Das macht ihn als Metapher attraktiv. Verwendet man ihn aber als Begriff im Kontext von Planung und Raumentwicklung, scheint es zunächst geboten, nach dem heuristischen Gewinn zu fragen, der sich damit erzielen lässt. Diese Frage kann sich zunächst auf die Form des Stoffwechsels beziehen, die im Garten realisiert wird, dann auf die spezifische Form des Wachstums, die im Garten angemessen ist und schließlich auf die soziale Verfasstheit des Gartens.
Das Einfachste, was sich über den Garten sagen lässt, ist: Er ist ein räumlich verfasster Teil der Welt, ein Ausschnitt des Ganzen, wenn auch ein kleiner. Seine Besonderheit gegenüber anderen Teilflächen bzw. Teilräumen ist die Tatsache, dass er zugleich eine menschliche Ressource darstellt. Mit dem Ressourcencharakter wird ausgedrückt, dass der Garten bewirtschaftet, also dauerhaft und immer wiederkehrend angeeignet wird. Dies unterschiedet den Garten zum Beispiel vom Tagebau, in dem ein etwas abgebaut wird, womit die Aneignung zunächst endet. Der Ressourcencharakter stellt den Garten vielmehr in eine Gruppe mit den Äckern und den Wirtschaftswäldern, denn auch diese werden immer wieder bewirtschaftet. Jeder Ressource haftet ein zyklisches Moment an und damit zugleich ein Nachhaltigkeitsversprechen: Dem Garten ist eine nachhaltige Aneignung inhärent. Somit liegt das Hauptaugenmerk auf der Souveränität und Qualität des Gärtners.
Der Gärtner – im anthropologischen Sinne – muss sich nicht mit Diskursen über die „Grenzen des Wachstums“ auseinandersetzen, denn Wachstum im Kontext des Gartens ist ein Begriff des Lebens, das auch Prozesse des Zerfalls und Absterbens umfasst. In einem Garten hat das Wachstum keine Grenzen, denn es ist nicht linear und akkumulativ gedacht. Werden und Vergehen sind hier verschiedene Aspekte ein und desselben Metabolismus, insofern ist das Gartenwachstum unbegrenzt. Betrachten wir die gegenwärtigen kulturellen Dispositionen unserer Gesellschaft, wird sichtbar, dass zwar viele Menschen ein Bedürfnis nach einem eigenen Garten haben, unterdessen aber in ihren gesellschaftlichen Naturverhältnissen den linearen Steigerungsvorstellungen der Moderne folgen (müssen). Wollte man den Gartenbegriff konsequent nutzen, wäre es ratsam, sich auch stärker mit dem zugehörigen Wachstumsbegriff zu beschäftigen und dabei den Umstand zu nutzen, dass der Garten nicht nur ein Ort des physischen, sondern auch des psychischen Selbsterhalts ist.
Die Bewirtschaftung einer Ressource erzeugt eine spezifische Bindung zwischen Subjekt und Welt. Beide verändern sich durch die Bewirtschaftung im Sinne einer gegenseitigen Anverwandlung. Bei einem Menschen, der einen Garten ein Leben lang gestaltet und in ihm lebt, kann man erwarten, dass der Garten Ausdruck dieses Menschen ist, dass aber auch der Mensch von den spezifischen Bedingungen seines Gartens geprägt wird.
b) soziale Charakteristik des Gartens
Kommen wir nun zu den sozialen Eigenschaften des Gartens. Hier sehen wir: Eigentümer, Bewirtschafter und Nutznießer des Gartens sind klar bestimmt. Sie können auseinandertreten oder ein und dieselbe natürliche oder juristische Person sein, aber in jedem Falle lassen sie sich angeben. Der Garten dient dem physischen und psychischen Selbsterhalt eines sozialen Systems, damit treffen wir eine klare Zuordnung zwischen Mensch und Ressource, die es sehr leicht macht, die entsprechenden Ansprüche und Aufgaben zu ordnen. Unkrautjäten, Rasen mähen, Wässern, oder Ernten, all diese Dinge lassen sich klar mit den Ansprüchen des Subjekts rückkoppeln. Wer großzügiger ist, geringere Ansprüche hat oder weniger auf die Gartenfrüchte angewiesen ist, kann länger im Liegestuhl bleiben.
In anderen Raumtypen ist diese Beziehung erheblich unübersichtlicher. Bei Städten z.B. lässt sich nicht mehr ohne weiteres sagen, wer als Nutzer angesprochen werden muss, immerhin sind auch Touristen in gewisser Hinsicht Nutzer. Die Eigentumsformen sind mannigfaltig und schließlich ist auch die Bewirtschaftung keinem klaren Subjekt zugeordnet.
Daraus leitet sich die Frage ab, ob es so etwas wie soziale oder kollektive Gärten geben kann. Diese Frage ist die Voraussetzung für den Versuch, die Lausitz als Garten zu denken. Hier lohnt zunächst die Abwägung mit einem anderen Begriff: Gärten, die der Aneignung durch Dritte offenstehen, werden in der Regel als Parks bezeichnet. Allerdings tritt bei einem Park die Rolle des bewirtschaftenden Subjekts in den Hintergrund. Das ist ein Verlust, wenn man auf endogene Raumentwicklungsprozesse abzielt. Insofern könnte man argumentieren, dass es sich lohnt, am Gartenbegriff festzuhalten, da dieses Subjekt nicht nur Dienstleister, sondern der zentrale Akteur im Raums sein sollte.
c) Landschaft als begriffliche Alternative
Dennoch scheint der Gartenbegriff für eine Raumkulisse wie die Lausitz einfach zu eng. Die Komplexität des Raums ist so groß, dass die Metapher letztlich keinen heuristischen Gewinn, sondern nur eine positive Empfindung auslöst. Diesen Weg mag man im Regionalmarketing erproben, ein Konzept der Raumentwicklung ist er dagegen nicht. Vielmehr wäre es plausibel, mit dem Landschaftsbegriff zu arbeiten und somit einerseits die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Teilräume und Gebietskörperschaften zu betonen, zugleich aber auch Komplexität, Widerspruch und Offenheit zu konnotieren.
Landschaft ist geteilter Raum: Sie ist zwischen verschiedenen Eigentümern, Bewirtschaftern und Nutznießern in Flächen eingeteilt. Landschaft ist aber zugleich der miteinander geteilte Raum. Es ist deshalb vorstellbar, die Bevölkerung der Lausitz als kollektives Subjekt anzusprechen, das den miteinander geteilten Raum erlebt und gestaltet. Voraussetzung dafür ist eine qualifizierte Bestimmung einer gemeinsamen Raumperspektive der Eigentümer, Nutznießer und Bewirtschafter.
Diese Perspektive formiert sich einerseits aus Naturausstattung und Historizität (Eigenschaften der Ressource), andererseits aus wirtschaftlicher Praxis und Glücksansprüchen (Eigenschaften des Subjekts). Aus beidem leitet sich das Gestaltungswissen für den Raum ab. Ein Raumprogramm, das diesen Parametern folgt, ist sehr anspruchsvoll und schwer zu etablieren. Es verlangt vor allem die Priorität der landschaftlichen Binnenperspektiven und -interessen gegenüber Ansprüchen, die von außen an die Landschaft herangetragen werden. Diese Ansprüche lassen sich in der Moderne kurz als Suburbanisierungskräfte beschreiben. Dominieren Suburbanisierungsprozesse, ist die Landschaft auch im übertragenen Sinne kein Garten, denn sie wird als Source ausgehend von Ballungsräumen und auch mit einem anderen Wissen entwickelt. Suburbanisierungsprozesse sind in einer komplexen Gesellschaft unvermeidlich, will man aber der metaphorischen Stoßrichtung einer „Lausitz als Garten“ folgen, müssen sie dennoch hinterfragt werden. Denn die Lausitz ist in ihrer jüngeren Geschichte eher ein Suburbanisierungsraum mit geringen „gärtnerischen Eigenrechten“ (keine politische Einheit, Braunkohleabbau, Industrialisierung, Truppenübungsplätze). Dies gilt auch in der Gegenwart, vor allem hinsichtlich der Energiepolitik und ihres Raumbedarfs. Es bedarf also eines kritischen Unterscheidungsvermögens der verschiedenen Raumansprüche. Die Raumplanung müsste den Mut als auch die Mittel haben, dieses Vermögen zu entwickeln und anzuwenden.
d) Die Lausitz als Landschaft: Ein Kontrastprogramm:
Will man dem Pfad eines landschaftlichen Raumprogramms folgen, ist es im oben beschrieben Sinne geboten, Objekt und Subjekt bzw. Ressource und Mensch zu qualifizieren und aufeinander zu beziehen. Auf der physischen Seite treten hier konstituierende Gegensätze in den Blick: Die Lausitz ist ein sehr heterogener und dennoch zusammengehöriger Raum, dessen Qualität sich über Pole oder z.T. asymmetrische Kontraste erschließt. Es ist auffallend, dass die Teilräume Ober- und Niederlausitz, obwohl seit Jahrhunderten zu verschiedenen Staaten bzw. Ländern gehörig, dennoch in ihrer kulturellen Wahrnehmung nicht gänzlich auseinandergefallen sind – und es ist auch zu empfehlen diese gemeinsame Betrachtung beizubehalten. Dadurch wird z.B. sichtbar, dass die Lausitz ausgesprochen bergige und wiederum flache Topografien aufweist. Sie wird durch arme und reiche Standorte geprägt und ist ebenso feucht (Spreewald, Teiche, Braunkohleseen) wie trocken (Heideregionen). Denkt man diese Kontraste zusammen, entfaltet sich ein reiches Raumverständnis und es entstehen naturräumliche Beziehungen, die für die Gestaltung des Wasserhaushaltes oder für das Landnutzungsmosaik relevant sind. Auch auf der kulturellen (subjektiven) Ebene treten interessante Kontraste ins Bild: evangelisch – katholisch, sorbisch – deutsch, brandenburgisch – sächsisch. Damit erhöht sich die innere Vielfalt, also der „Humus“, auf den eine gärtnerische Perspektive angewiesen ist.
Aus den Kontrasten konstituiert sich zudem ein Ganzes, und von diesem Ganzen ausgehend werden Unterscheidungen zu einer „Umwelt“ möglich. Erst damit ist die Voraussetzung für eine eigene Kulturlandschaftsentwicklung gegeben.
[Beitrag von Kenneth Anders, LG Berlin-Brandenburg]